Mitgefühl und Selbstmitgefühl
Mitgefühl ist definiert als etwas, das wir fühlen (es geht also um eine emotionale, nicht um eine kognitive Reaktion), wenn wir eine Form von Leiden bei einem anderen erkennen und den authentischen Impuls haben, dieses Leiden zu lindern.
Es scheint, dass wir bereits zum Mitfühlen geboren sind und es sich nicht um eine erlernte Verhaltensweise handelt: Schon Kleinkinder, die noch viel zu jung sind um die prosozialen Regeln der Höflichkeit erlernt zu haben, zeigen durch Pupillenreaktion Mitgefühl mit anderen Lebewesen und Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Mitgefühl dermaßen ausschlaggebend für unsere sozialen Beziehungen ist (und auch für das körperliche und geistige Wohlbefinden), dass es ein wesentlicher Faktor für das Überleben der menschlichen Spezies war und ist.
Selbstmitgefühl ist dasselbe wie Mitgefühl, nur dass wir selbst die Empfänger sind. Es ist eine emotionale Antwort auf die Wahrnehmung von Leiden in uns selbst. Nach allgemeiner Auffassung umfasst Selbstmitgefühl drei Komponenten: Achtsamkeit (sich des Leidens bewusst sein), geteilte Menschlichkeit (die Erkenntnis, dass Leiden ein Teil unseres menschlichen Daseins ist) und Selbstfreundlichkeit (freundlich zu uns selbst zu sein).
In Vergleichsstudien wurde festgestellt, dass Depressionen, Ängste und Stress abnehmen, wenn das Selbstmitgefühl in uns Menschen zunimmt. Es wurde deutlich, dass Selbstmitgefühl die allgemeine Gesundheit, das Gesundheitsverhalten und den Umgang mit einer Erkrankung positiv unterstützt. Die Übung von Selbstmitgefühl verändert nicht nur kardiologische Reaktionen in Stress-Situationen, sondern verringert auch allgemein die „Stress-Aktivierung“ des Körpers. Es zeigen sich positive Auswirkungen auf Biomarker im Körper und damit verbunden auf die Alterungsprozesse.
Auch wenn (Selbst-)Mitgefühl noch ein neueres Thema in der westlichen Wissenschaft ist, so zeigen sich doch im Großen und Ganzen deutliche Zusammenhänge mit Wohlbefinden, Abnahme von psychischen Erkrankungen, besserer Problembewältigung und insgesamt mehr Lebenszufriedenheit. Der Dalai Lama fasst diese Forschungsergebnisse ganz wunderbar zusammen: „Liebe und Mitgefühl sind kein Luxus, sondern etwas Notwendiges. Ohne sie kann die Menschheit nicht überleben.“